SHAKUHACHI 

(Japanische Zen-Bambusflöte)

Die Shakuhachi ist eine fünflöchrige Bambusflöte und war früher ausschliesslich das Instrument der wandernden ZEN-Mönche (jap.: KOMUSOO). Sie wurde nicht als Musikinstrument, sondern als Werkzeug zur Erleuchtung angesehen. Dementsprechend strahlt die Musik dieser Zeit und Tradition eine tiefe Ruhe und Konzentration aus.

Die Verknüpfung der SHAKUHACHI mit dem ZEN geht zurück auf einen Mönch namens FUKE, der in etwa im neunten Jhdt. in China lebte und der überzeugung war, die buddhistische Lehrebesser als durch Worte, durch den Klang seiner Handglocke vermitteln zu können. Einem seiner Schüler soll es gelungen sein, den Klang dieser Glocke auf seiner Bambusflöte nachzuahmen, womit das erste spirituelle Musikstück der späteren FUKE-SHU (-Schule) entstanden war. Auch heute noch wird im Repertoire der SHAKUHACHI streng unterschieden zwischen sogenannten „echten“ Stücken (HONKYOKU) und „äusseren“ Stücken (GAIKYOKU).

Die spirituelle Bedeutung des Shakuhachi-Spiels wird in Japan mit einem kurzen Begriff sehr prägnant zum Ausdruck gebracht: „ICHI ON  JÔ BUTSU“, wörtlich übersetzt: „Erleuchtung finden in einem Ton“. Diese Kurzformel geht zurück auf einen chinesischen Mönch namens Fuke, der der Überzeugung war, die Lehre Buddhas besser als durch viele Worte durch den Klang seiner Handglocke vermitteln zu können. Einer seiner Schüler soll versucht haben, diesen Klang auf seiner Bambusflöte zu imitieren und begründete damit die esoterische Tradition der Shakuhachi.

Ein weiterer spiritueller Bezug ergibt sich aus dem Baumaterial der Shakuhachi, dem Bambus. Bambus gilt im Buddhismus aufgrund seiner eingeschlossenen Hohlräume als Symbol der Reinheit und Leere, als Symbol für die Abwesenheit von falschen Vorstellungen, für die Abwesenheit von Angst und Begierde.

Shakuhachi-Musik scheint oft einfach, manchmal geradezu simpel, ohne grossen Tonumfang, ohne Virtuosität zu sein. Die einfachsten Stücke kann man vielleicht bereits nach wenigen Monaten Übung spielen, man braucht jedoch möglicherweise den Rest seines Lebens, um dieses eine Stück zu vervollkommnen. In diesem einen Stück liegt eine Tiefe, die weiter reicht als jede andere Art der Musik. Das Spielen dieser Musik ist eine Methode, die Sensibilität für die subtilen Feinheiten zu schärfen, für das Reich jener Dinge, die hinter ästhetischen Klassifikationen und Konzepten liegen.

Shakuhachi-Musik bedingt eine Öffnung des Geistes, die auch ihre Auswirkungen auf das tägliche Leben nimmt. Jede Schwierigkeit, auf die man auf diesem Weg stösst, ist nichts anderes, als eine Reflektion der eigenen Beschränkungen, die überwunden werden müssen, um zu einer friedvolleren und aufmerksameren Geisteshaltung zu gelangen.

Hitori Kotoba

(Auszüge aus Aufzeichnungen über das Spiel der Shakuhachi, aufgeschrieben von Hisamatsu Fuuyoo, im Jahr 1830)

Wer Shakuhachi lernt, muss vor allem weltliche Gedanken verbannen, sich von seinen Begierden trennen und die Vorstellung ablegen, überlegen oder unterlegen zu sein. Er muss seinen Geist im Bauch konzentrieren, damit er den Ton des Bambus hört. Das ist das Wichtigste.

Man darf nicht von Anfang an danach streben, einen schönen Ton zu erlangen, und es ist verdammenswert, wenn jemand es liebt, einen glanzvollen Ton hervorzubringen.

Es gibt Leute, die glauben, es sei die wahre Bedeutung des Shakuhachi-Spiels, „mono no aware“ (das ist ein Begriff, der in etwa: „Bewusstheit der Vergänglichkeit“ bedeu- tet) trauervoll und mit tiefem Gefühl auszudrücken. Das ist lächerlich! Shakuhachi zu spielen ist in Wirklichkeit nicht dazu da, von anderen gehört zu werden. Shakuhachi ist ein Werkzeug, um seinen Geist zu entwickeln. Wer sich von allem gelöst hat, kann dies hören.

Nur die äussere Form der Stücke zu spielen, darf nicht Shakuhachi-Spielen genannt werden und hat nichts mit Shakuhachi zu tun. Hüte dich ernsthaft davor! Die Meisterschaft liegt nicht in der Beherrschung der Technik, sondern im Eindringen in den Geist der Musik. Das Eindringen in den Geist der Musik aber liegt innerhalb der Beherrschung der Technik.

Am Ende muss man sein Leben gänzlich der Sache hingeben. Das ist Alles!

Quellenangabe: Andreas Gutzwiller, Die Shakuhachi der Kinko-Schule. Studien zur traditionellen Musik Japans Vol V, 1983, Kassel, Basel, London: Bärenreiter 

Hitori Mondoo

(Auszüge eines Lehrgespräches über das Spiel der Shakuhachi, aufgeschrieben vom Eremiten von Edo, Fuuyoo Kanteisei, im Jahr 1823)

Manche Leute fragen, wozu man Shakuhachi spielt. Die Antwort ist, dass das Spielen keinen Zweck verfolgt, sondern dass man nur spielt, weil man dafür eine Vorliebe gefasst hat.

In diesem Fall ist die Frage: Hat man davon keinen Vorteil? Shakuhachi ist ein Ding, das keinen Vorteil bringt. Da die Shakuhachi ein Werkzeug des Zen ist, wäre es falsch, sie oberflächlich zu behandeln.

In welcher Art ist die Shakuhachi ein Werkzeug des Zen? In den drei Existenzen gibt es nichts, das nicht Zen-Geist hat. Vor allem ist die Shakuhachi verschieden von den übrigen Musikinstrumenten. Allerdings: dass losgelöst von der Vernunft zu spielen, die Essenz des Spielens ist, ist für den Laien unverständlich.

Obwohl also im Shakuhachi-Spielen Vernunftgründe keinen Platz haben, gibt es nicht wenigstens Wichtigeres und Weniger-Wichtiges? Wenn die Vernunft erschöpft ist und man sich von ihr befreit hat, kann ausserhalb ihrer nichts mehr unterteilt werden.

Wenn das so ist, erkläre mir bitte erst die Dinge, die mit der Vernunft er klärt werden können. Das ist eine gute und gleichzeitig schwierige Forderung. Wenn ich oben gesagt habe, Shakuhachi sei „ein Ding, das keinen Vorteil bringt“, so habe ich nur eine Seite er wähnt. Der Shakuhachi-Spieler spielt einerseits für die Welt, andererseits spielt er für sich selbst.

In welcher Weise spielt er für die Welt und in welcher Weise für sich selbst? Wenn man es sich nicht zum Prinzip macht, sich von der Habsucht der Welt zu lösen, kann man nicht beides erfolgreich tun. Wenn ich nicht hauptsächlich den Geist übe, kann ich das Geheimnis nicht erreichen. Wenn aber jemand ehrlich und rein ist, soll der nicht für die Welt und für sich selbst spielen können?

Jemand, der wie ich, ohne Wissen und Erleuchtung ist und Shakuhachi spielt, einfach weil er es gern tut, kann dennoch nach und nach die Natur der Shakuhachi als Werk zeug des Zen erkennen und einsehen, dass kein Unterschied besteht zwischen Nicht Verstehen und Verstehen.

Bambus soll man blasen, und der fragt soll schweigen und den Mund schliessen.

Quellenangabe: Andreas Gutzwiller, Die Shakuhachi der Kinko-Schule. Studien zur traditionellen Musik Japans Vol V, 1983, Kassel, Basel, London: Bärenreiter